Schulterschluss der fünf norddeutschen Küstenländer für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft als Säule der Energie- und Verkehrswende: Bei ihrem Herbsttreffen am 7. November in Lübeck verabschiedeten die für Wirtschaft und Verkehr zuständigen Minister, Senatoren und Senatorinnen eine gemeinsame „Norddeutsche Wasserstoffstrategie". Zugleich forderten die Ressortchefs die Bundesregierung auf, ihren Vorstoß zu unterstützen und in die vom Bund für Ende des Jahres angekündigte nationale Wasserstoffstrategie einfließen zu lassen.
„Mit unserer Strategie zeigen wir einen Weg auf, wie die Wasserstoffpotenziale insbesondere im Bereich der Industrie und der Mobilität gehoben werden können. Gerade unsere windreichen Küstenländer sind hervorragend für dieses industriepolitische Projekt geeignet, mit dem gleichzeitig Klimaschutzziele realisiert werden können", sagte Konferenz-Gastgeber Dr. Bernd Buchholz (FDP), Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Ein erster wichtiger Schritt sei der Aufbau ausreichender Kapazitäten für Elektrolyse. Mit diesem technischen Verfahren kann Strom in Wasserstoff verwandelt werden. Die Strategie sieht vor, bis zum Jahr 2025 mindestens 500 Megawatt und bis zum Jahr 2030 mindestens fünf Gigawatt Elektrolyse-Leistung in Norddeutschland zu realisieren.
Nach den Worten von Buchholz könnten theoretisch allein mit den 500 Megawatt bei Einsatz von grünem Strom aus Windparks an Land rund 151.000 Pkw mit grünem Wasserstoff versorgt werden. Bei einer Steigerung auf fünf Gigawatt wären das 1,5 Millionen Pkw, das entspricht der derzeitigen Zulassung aller Pkw in Schleswig-Holstein. Darüber hinaus sei parallel zum derzeitigen Aufbau von E-Ladesäulen der Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes nötig. Hierfür erachten die Ressortchefs eine Größenordnung von rund 250 Tankstellen in Norddeutschland für nötig.
Hamburgs parteiloser Wirtschafts- und Verkehrssenator Michael Westhagemann machte zudem deutlich: „Mir ist Wasserstoff ein Herzensanliegen, und ich denke, die Zeit ist endlich reif, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen - nicht mehr nur mit allgemeinen Entschließungen, sondern ganz praktisch und Hand in Hand. Die Norddeutsche Wasserstoffstrategie soll hierfür unser politisches Bekenntnis ausdrücken und die Leitplanken setzen. Darauf warten die Akteure aus der Wirtschaft, denn sie stehen bereit, um ihren Beitrag zu leisten. Gemeinsam wollen wir nun den Prozess des Aufbaus einer Wasserstoffwirtschaft starten. Den notwendigen Rückenwind dazu muss der Bund beisteuern. Deshalb werden wir mit diesem Strategiepapier zeitnah auf die Bundesregierung zugehen, unsere Entschlossenheit hier in Norddeutschland verdeutlichen und den Bund auffordern, zügig die Weichen in Richtung Zukunft - in Richtung Wasserstoff zu stellen."
Auch Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Dr. Bernd Althusmann (CDU) verwies auf die guten Voraussetzungen Norddeutschlands, zur führenden Region einer grünen Wasserstoffwirtschaft zu werden: „Regenerativer Wasserstoff wird der global strategische Energieträger der Zukunft. Deshalb wollen wir gemeinsam eine starke Wasserstoffwirtschaft aufbauen. Unser Ziel der vollständigen Versorgung aller interessierten Abnehmer mit ausreichend grünem Wasserstoff bis 2035 ist anspruchsvoll. Wichtig ist, dass der Bund jetzt die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Nur so können die Unternehmen trotz ehrgeiziger Klimaschutzziele und steigender Energiekosten international wettbewerbsfähig bleiben. Im Bereich Verkehr sind wir in Niedersachsen schon gut unterwegs, beispielsweise mit wasserstoffbetriebenen Nahverkehrszügen und mit Nutzfahrzeugen (Prototypen) für Transport, Straßenreinigung und Abfallsammlung. In der Stahlerzeugung wird daran gearbeitet, mit Wasserstoff klimaneutral Stahl zu erzeugen."
Im Einzelnen verwiesen die Minister und Senatoren auf folgende Standortvorteile des Nordens beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft:
• hohe Erzeugungskapazitäten für On- und Offshore-Windstrom mit weiterem Ausbaupotential,
• unterirdische Formationen zur Speicherung von Wasserstoff,
• Seehäfen, die künftig eine wesentliche Rolle bei Import und Verteilung von grünem Wasserstoff und synthetischen Energieträgern sowie bei der Nutzung von Wasserstoff und dem Export von Wasserstofftechnologien und -komponenten spielen werden,
• maritime Unternehmen und wissenschaftliche Expertise sowie Industriezweige mit erheblichen Erfahrungen im Umgang mit Wasserstoff,
• zusätzliches Know-how wird in den sechs norddeutschen „Reallaboren der Energiewende" aufgebaut.
Bremens erste Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) sagte: „Auch das Land Bremen wird sich gemeinsam mit den anderen Küstenländern intensiv mit der Technik zur Nutzung des überschüssigen Windstroms auseinandersetzen und so ein wichtiges Kompetenzfeld der Energiewende voranbringen. Der Einsatz von Wasserstoff als Energiespeichermedium ist ein wichtiger Pfeiler der Sektorenkopplung und eröffnet den Standorten Bremen und Bremerhaven erfolgsversprechende Zukunftsmärkte." Die für Bremens Häfen und Wissenschaft zuständige Senatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) ergänzt: „Forschung und Entwicklung und das Vorantreiben von Innovationen sind von wesentlicher Bedeutung für das Gelingen einer wasserstoffbasierten Wirtschaft. Wir wollen Norddeutschland zu einem Hotspot der Wasserstoffforschung machen."
Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschafts-Staatssekretär Dr. Stefan Rudolph (CDU) machte deutlich, dass die Energiewende nur mit einer umfassenden Sektorenkopplung gelingen könne: „Der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft ist eine wirtschafts- und strukturpolitische Chance für die Küstenbundesländer. Denn: Grüner Wasserstoff ist ein Schlüsselenergieträger der Energiewende. Entscheidend ist es dabei, dass der Onshore und Offshore-produzierte Strom aus nachhaltigen Energiequellen gespeichert werden kann und ihn für andere Bereiche - wie beispielsweise Industrie und Verkehr - nutzbar zu machen. Hier liegt Potential für mehr Wertschöpfung und auch für zukunftsfähige Arbeitsplätze. Deshalb müssen wir gemeinsam die Wasserstoffstrategie zügig vorantreiben und umsetzen."
Bild: Pixabay, Text: Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung