20 Jahre EEG haben viel bewirkt und die Energiewende in Deutschland in vielen Teilen vorangebracht. Es zeigt sich aber zunehmend, dass das Instrument wenig zukunftsgewandt ist, die Gemeinschaft an den falschen Stellen belastet, Innovationen eher verhindert als fördert, neue Marktmodelle unberücksichtigt lässt und keine klare Zielrichtung im Umgang mit Altanlagen besteht.
Hinzu kommt, dass es immer unwahrscheinlicher scheint, die Klimakrise bewältigen zu können und das 2 Grad Ziel oder gar das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen zu können. Eine jüngst vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie erschienene Studie zeigt, dass die bisherigen Anstrengungen einem Strohfeuer gleichen und Deutschland bereits bis 2035 auf ein klimaneutrales Energiesystem umstellen müssten. Utopisch im Hinblick auf die aktuelle Ausbaugeschwindigkeit erneuerbarer Energien.
Was also muss sich tun, um ein Energiesystem der Zukunft zu gestalten, dass resilient, grün und erneuerbar ist? Ist das EEG der richtige Rahmen oder müssen andere Instrumente und Geschäftsmodelle her? Was muss der Markt regeln und wo muss Politik regulieren? Und was können wir lokal vor Ort und der Region tun, um dieses Ziel zu erreichen?
Diese und weitere dringende Fragen auf dem Weg zur Klimaneutralität und zur Erreichung des 1,5 Grad-Zieles haben wir gemeinsam mit unseren Expert:innen und rund 70 Teilnehmer:innen am 08. Dezember 2020 diskutiert. Auf dem virtuellen Podium konnten wir begrüßen:
- Frank Doods, Staatssekretär, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz
- Sascha Samadi, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie
- Benedikt Nickel, Aktivist Fridays for Future
- Dr. Thorsten Jöhnk, Vorstand KEHAG Holding AG
Die Veranstaltung wurde moderiert von Tanja Föhr.
Dr. Till Luhmann, Vorstandsmitglied im OLEC brachte es auf den Punkt: „Wir entwickeln seit 20 Jahren an einer gesetzlichen Grundlage für den Ausbau Erneuerbarer Energien herum, haben aber das große ganze aus dem Blick verloren.“ Es kann nicht mehr nur darum gehen, wieviel Erneuerbare wir ausbauen, sondern vielmehr darum, dass dies eine absolut notwendige Maßnahme für den Klimaschutz ist und wir ohne Erneuerbare Energiequellen keine Chance haben das 1,5 Grad Ziel erreichen zu können. Gleichzeitig herrschte Einigkeit darüber, dass der Ausbaupfad in Summe sowohl in den letzten Jahren als auch im Zukunftsszenario der Bundesregierung weit hinter den Notwendigkeiten zurücksteht. OLEC hat sich auf den Weg gemacht, diese Bedeutung vor allem im Nordwesten noch stärker zu adressieren und mit „Klimaneutral. Der Nordwesten machts vor!“ eine Vision vorgelegt, die Blaupause für ganz Deutschland werden kann. Denn der Nordwesten ist und bleibt einer der wesentlichen Standorte für Erneuerbare in Deutschland und bietet mit vielfältigen weiteren Standortvorteilen für Erzeugung, Speicherung und Netzausbau die Basis für wegweisende Innovationsprojekte. „Das erreichen wir mit der Verknüpfung der vielfältigen Akteur:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Verwaltung und gestalten gemeinsam Ideen, wie wir in Zukunft eine klimaschonende Wirtschafts- und Lebensweise hinbekommen.“
In seiner Begrüßung betonte Frank Doods, Staatssekretär im Niedersächsischen Umweltministerium besonders, das der Dialog der Agierenden absolut unerlässlich ist, um Themen zu ventilieren und weiterzubringen. Klimaschutz darf kein Selbstzweck sein, sondern muss eine wesentliche Rolle in politischen, aber auch gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entscheidungen spielen. Immer mehr werde dies den Menschen bewusst, was die nach wie vor hohe Zustimmung zu Klimaschutz und Ausbau Erneuerbarer Energien zeige. „Jedoch erleben wir im Ministerium auch die Kehrseite, nämlich dann, wenn es um den Infrastrukturausbau geht. Die Anlagen und Netze wollen dann doch die wenigstens in unmittelbarer Nähe haben“, so Doods. Hier sei also noch einiges zu tun, um die Dringlichkeit herauszustellen und die Breite Akzeptanz zu steigern. „Niedersachsen hat sich hier als eines der ersten Bundesländer auf den Weg gemacht und befindet sich ganz aktuell in der Verabschiedung des Klimagesetzes für Niedersachsen. Wir wollen hierdurch eine breite Basis für mehr Klimaschutz schaffen und die Bedeutung dessen, was auf dem Spiel steht herausstellen, aber auch einen Handlungsrahmen für Entscheidungen geben.“
Sascha Samadi hat am Wuppertal Institut für Klima und Energie einer Studie im Auftrag der Fridays for Future erstellt, aus der deutlich hervorgeht, was zum einen notwendig ist, um bis 2035 Klimaneutral zu werden und damit das 1,5 Grad-Ziel einhalten zu können. Zum anderen wird allerdings auch deutlich, wie weit wir von diesen Notwendigkeiten noch entfernt sind. „Wenn wir es wirklich ernst nehmen, dann müssen wir jetzt beginnen den Konsum signifikant zu mindern und uns hin zu einer Kreislaufwirtschaft entwickeln, wir müssen die Erneuerbaren mit mindestens doppelter Geschwindigkeit ausbauen, eine Trendumkehr im Verkehrsbereich einläuten und den klimaneutralen öffentlichen Personen- aber auch Güterverkehr mit Hochdruck ausbauen. Die Sanierungsrate in Gebäuden muss mindestens 4mal so hoch sein und bis 2035 müssen im Wärmebereich zu 80 Prozent Wärmepumpen im Einsatz sein“, fasst Samadi die Ergebnisse kurz zusammen. In Summe müssen bis 2035 mindestens 300 Gigawatt aus Erneuerbaren Quellen kommen, je nachdem was wir aus dem Ausland zusätzlich importieren können sogar bis zu 700 GW. „Bei einer jährlichen Zubaurate von aktuell 6-10 GW wird das nix.“
In der anschließenden Diskussion wurden diese Ergebnisse noch einmal verdeutlicht und besonders der sektorenübergreifende Stellenwert aufgezeigt, „denn es ist nicht damit getan, dass wir den Energiesektor dekarbonisieren, gleichzeitig aber den Verkehr und Wärmebereich weiterhin so laufen lassen“, betonte Thorsten Jöhnk von der KEHAG AG. Bendikt Nickel, Aktivist bei Fridays/ Scientists for Future geht noch einen Schritt weiter: „eigentlich bleiben uns noch bestenfalls 8 Jahre, das System zu umzubauen, dass wir kein CO2 mehr emittieren. Was fehlt ist der wirkliche politische Wille das Ruder rum zu reißen und den Klimaschutz ins Zentrum der Betrachtung zu rücken.“
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung konnten die Teilnehmenden in Break-Out Sessions diskutieren, welche politischen und regulatorischen Änderungen für die Erreichung der Klimaziele notwendig sind.