Der Nordwesten ist eine stark landwirtschaftlich geprägte Region und bietet viel Potenzial für die Erzeugung von Biogas. Ob aus Pflanzen direkt vom Feld, Bioabfällen oder Gülle - Biogas bietet eine vielseitige Palette und kann im Gegensatz zu Wind- und Solarenergie sogar Regelsystemleistung bereitstellen. Was nach einer perfekten Technologie klingt, wurde durch verschiedene Entscheidungen auf politischer Ebene in den vergangen Jahren so stark beschnitten, dass Biogas in Deutschland bis auf Bestandsanlagen quasi nicht mehr vorkommt. Warum ist das so? Wie kann das vielseitig erzeug- und einsetzbare Biogas wieder Fahrt aufnehmen? Welche neuen Technologien bringen den Boost für die Branche?
Darüber sprachen im Rahmen der digitalen Veranstaltungsreihe „OLEC Dialog – Klartext!“ Expert*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden am 17.09.2020:
- Katja Hofmeier, Umweltbundesamt
- Jörg Fischer, Mitglied des Vorstands, Envitec Biogas AG
- Prof. Dr.-Ing. Sandra Rosenberger, Hochschule Osnabrück
- Sandra Rostek, Leiterin Hauptstadtbüro Biogas, Fachverband BIOGAS e.V.
Die Veranstaltung wurde moderiert von Tanja Föhr.
Mit rund 9500 Anlagen und einer installierten Leistung von 32 TWh sei die Bioenergie ein ernstzunehmender Player in der deutschen Energiewende, betonte Katja Hofmeier vom Umweltbundesamt in ihrem Impulsvortrag. Nach wie vor sei Mais die hauptsächlich genutzte Energiepflanze für die Verstromung. Insgesamt würden 13,2 Prozent landwirtschaftlicher Fläche mit dem Anbau von Energiepflanzen für die Verstromung belegt. Das hier rein physisch eine Grenze erreicht sei und ein Ausbau zumindest bei der Verstromung von reiner Biomasse nicht unbegrenzt möglich ist, scheine klar zu sein. Dennoch biete die Bioenergie einen wesentlichen Vorteil gegenüber Solar- und Windstrom: Sie könne als Regelenergie genutzt werden. Um dieses Potenzial zu nutzen bedürfe es neben der Substratreduktion einer Umstellung und Konzentration auf Rest- und Abfallstoffe sowie Gülleverstromung. Auch das Thema Flächennutzungskonflikte spiele in der Debatte eine Rolle, schließlich sei es im Grunde Unsinn, landwirtschaftlich nutzbare Flächen mit Photovoltaik zu belegen. Hierfür können andere Flächen besser genutzt werden. Wesentliche Nachbesserung beim EEG seien besonders in Bezug auf den Umgang mit Bestandsanlagen notwendig, zudem zeige sich, dass vor allem die 75 Kw Grenze ein maßgebliches Hemmnis darstelle.
Professorin Sandra Rosenberger von der Hochschule Osnabrück gab einen kurzen Überblick zum Projekt „Regionalperspektive Biogas“, in dem innerhalb der Region Osnabrück/ Osnabrücker Land u.a. Geschäftsmodelle für einen Post-EEG-Betrieb von Biogasanlagen auf Basis von Rest- und Abfallstoffen entwickelt werden sollen. Der Landkreis sei auf den Strom aus Biogasanlagen angewiesen, da in der Region eine große Anlagenzahl verortet sei und sonst eine massive Lücke klaffen würde, so Rosenberger. Hier sei es daher besonders wichtig, die Anlagen auch nach der EEG-Förderung wirtschaftlich betreiben zu können. Auch sei es Ziel der Entwicklung der Region, die regionale Wertschöpfung durch eine gesund aufgestellte Landwirtschaft und sektorübergreifendes Denken und Handeln zu steigern. Wichtig sei hierbei im ersten Schritt die intensive Vernetzung der Akteur*innen, besonders der Landwirt*innen, um möglichst gemeinschaftliche Modelle entwickeln zu können.
Jörg Fischer, Vorstand bei der EnviTec Biogas AG wünschte sich insbesondere klare Signale von Land und Bund, wo die Reise zukünftig hingehen soll. Nutzungsanwendungen, vielfältige Geschäftsmodelle und Entwicklungsideen hätten alle Betreiber*innen theoretisch in der Tasche. Jedoch fehle es an Perspektive. Auch der Entwurf der EEG-Novelle 2021 biete hier nur wenig bis gar keine Hinweise. Da müsse deutlich nachgebessert werden.
Sandra Rostek vom Fachverband Biogas betonte die hervorragenden Einsatzmöglichkeiten von Biogas und die Flexibilität der Technologie, die einen wesentlichen Vorteil gegenüber Solar- und Windstrom biete. Zweitere seien eher die Lastesel der Energiewende und zur Erzeugung von großen Strommengen unabdingbar. Biogastechnologien böten vor allem Flexibilität, Standortangepasste Anlagen und dienen hervorragend als CO2-Senke, was sie eindeutig zum Hidden Champion der Energiewende mache.
Einig waren sich alle Diskutant*innen darüber, dass gesellschaftliche Akzeptanz der Schlüssel zur Energiewende sei und dringend mehr Aufmerksamkeit benötige. Hier bedürfe es stärkerer Teilhabe von Kommunen und Bürger*innen und Wissensvermittlung, so sei Biogas doch in der allgemeinen Wahrnehmung immer noch nur mit der Vermaisung der Landschaft verknüpft.