27.10.2020 - Wie kann grüner Wasserstoff die Energiewende voranbringen?

In der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung wird grüner Wasserstoff als wichtiger Treiber für die Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende gesehen. Der Nordwesten erfüllt schon heute u.a. mit seinem hohen Anteil an erneuerbaren Energien, innovativen Unternehmen und den Kavernenfeldern, die auch zur Wasserstoffspeicherung genutzt werden könnten, viele Voraussetzungen zum Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Auch technologisch stehen ausgereifte Verfahren bspw. für die Elektrolyse auf Basis erneuerbarer Energien zur Verfügung.

Trotz dieser Potenziale bleibt eine Marktdurchdringung national und regional bisher aus. Warum ist das so? Wie kann der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft an Fahrt aufnehmen und Wertschöpfung generiert werden?

Hierzu diskutierten wir am 27. Oktober 2020 mit unseren Expert*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Politik:

  • Matteo Micheli, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
  • Eva Stede, EWE GASSPEICHER GmbH
  • Dr. Magnus Buhlert, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz
  • Klaus Stolzenburg, PLANET Planungsgruppe Energie und Technik GbR

 

Die Veranstaltung wurde moderiert von Tanja Föhr

 

Matteo Micheli von der Deutschen Energie Agentur (dena) zeigte in seinem Impulsvortrag die Rolle und Potenziale von grünem Wasserstoff auf. „Hier sind neue Märkte und Geschäftsfelder möglich, vor allem aber die massive und dringend notwendige Reduktion der Treibhausgasemissionen“, betonte er. Grüner Wasserstoff kann dabei auch als hervorragender Rohstoff z.B. zur Produktion von E-Fuels oder in der Stahlerzeugung angewandt werden und bietet daher eine ganze Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten und Potenzialen. Dies hat Deutschland erkannt und in der nationalen Wasserstoffstrategie diese Potenziale benannt. „Die Herausforderungen sind allerdings ebenfalls vielfältig, seien es technologische Grenzen durch die Elektrolyseur- und Rohstoffkapazitäten, die hohen Kosten, vor allem verursacht durch Strombeschaffungs- und Umlagekosten oder regulatorische Hemmnisse.“ Zuletzt warf Micheli die Frage auf, wie wir gemeinsam die Zukunft aus grünem Wasserstoff gestalten können und welche Projekte den Weg ebnen können.

Eva Stede vom regionalen Energieversorger EWE stellte das Projekt Hyways for Future vor, bei dem ab 2021 rund 90 Partner*innen im Nordwesten 90 Millionen Euro in die Marktantivierung vor allem im Bereich Schwerlastverkehr und kommunaler Fuhrparks (z.B. Müllfahrzeuge) investieren. Ziel ist sowohl die Entwicklung der Nachfrageseite als auch der nötigen Infrastruktur in der Region. Begleitend soll ein Innovationscluster in verschiedenen Arbeitsgruppe die Entwicklung begleiten und neue Ansätze in verschiedenen Schwerpunkten entwickeln.

Die Frage, ob die Region bzw. das Land Niedersachsen für die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft gut aufgestellt ist, bejahte Dr. Magnus Buhlert vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, wies aber auch darauf hin, dass aufgrund des regulatorischen Rahmens die Produktionskapazitäten von grünem Wasserstoff eingeschränkt sind. „Ich beobachte das Thema seit 20 Jahren und wir befinden uns gerade in einer Sturm und Drang-Phase: Die Technik ist da und positiv besetzt, der Umsetzungswille ist da. Was fehlt ist eine systematische, zügige und entsprechend groß skalierte Förderung zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft.“ Niedersachsen hat hier neben der Bundesförderung, bei der Buhlert bürokratische Zeitverzögerungen befürchtet, ein eigenes Förderprogramm für Wasserstoff-Anwendungen aufgelegt. Buhlert betont zudem, dass eine systemische Verbindung verschiedener Aspekte und Branchen zwingend notwendig sei. Nur wenn alle Puzzleteile im Sinne einer Sektorenkopplung ineinander greifen, kann sich eine wirkliche Zukunftsperspektive entwickeln.

Dies sieht auch Klaus Stolzenburg vom Ingenieurbüro PLANET aus Oldenburg so. „Der Vernetzungsaspekt ist besonders wichtig. Die Projekte und Aktivitäten müssen von einander wissen und ineinander greifen. Es bringt nichts, wenn plötzlich Wasserstoff-Busse oder Fahrzeuge da sind, für die es aber weder eine Tankstelleninfrastruktur noch professionelle Wartung gibt. Hier müssen alle Akteur*innen gemeinsam ein System entwickeln, sonst bleiben wir im Henne-Ei-Problem stecken.

Wichtig sei auch die Frage, welche Nachfrage z.B. im Rahmen einer Wasserstoff-Strategie, sei es national oder regional, erzeugt wird und wie diese dann gedeckt werden kann. Auch hier muss der systemische Gedanke immanent sein, Quotenregelungen für verschiedene Anwendungsfelder angedacht werden und mit Strategien zur Erhöhung der Erzeugungskapazitäten hinterlegt sein. Dies funktioniert am Ende aber nur, wenn auch der Rohstoff, grün erzeugter Strom, in ausreichendem Maßstab vorhanden ist.

Am Ende wagten die Podiumsteilnehmer*innen einen Blick in die mittelfristige Zukunft und beantworteten die Frage, wie die Region 2024 aufgestellt sein wird. Stede wünscht sich ein rudimentäres Tankstellennetz mit dem Busse, Nutz- und Schwerlastfahrzeuge in der Region betrieben werden und erste Ansätze für den Einsatz von Wasserstoff im Schiffs- und Flugverkehr. Buhlert sieht Leuchtturmprojekte die Technologietourismus hervorrufen, Erzeugungskapazitäten im 100 MW Bereich und Sektorenkopplung im großen Stil. Stolzenburg wünscht sich eine Vorreiterrolle besonders im ÖPNV und hofft, das Technologietourismus dann nicht mehr nötig ist, weil sich ganz Deutschland, besser noch ganz Europa zum Vorreiter in Sachen Wasserstoff, entwickelt hat. Micheli denkt globaler und sieht Deutschland als Vorzeigeland und hofft, das 2024 weltweite Projekte in Umsetzung sind.