25.06.2020"Wie kann die Windkraft wieder zum Motor der Energiewende werden?“

Die Windenergie in Deutschland steht auf wackeligen Beinen: Ausschreibungen bringen nicht das gewünschte Ergebnis, der Ausbau Onshore wird stark gebremst und kommt an vielen Stellen durch teils absurde Regelungen völlig zum Stillstand. Fehlende Leitungskapazitäten sorgen dafür, dass der große Hoffnungsträger Offshore nicht die gewünschten Wirkungen entfacht. Zentrale Fragen zu Nutzungspfaden nach der garantierten EEG-Vergütung und Regelungen zum Repowering sind unbeantwortet oder werden aufgeschoben. Kann das EEG zukünftig noch der Beschleuniger des Ausbaus der Erneuerbaren sein, wozu es einmal erfolgreich angetreten ist, oder nicht?

Fakt bleibt: Der Nordwesten ist einer DER Windstandorte Deutschlands, sowohl was Erzeugungsmöglichkeiten aber auch regionale Wertschöpfung betrifft. Wie können wir dieses Potenzial wieder stärker aktivieren?

Darüber sprachen im Rahmen der digitalen Veranstaltungsreihe „OLEC Dialog – Klartext!“ Expert*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden am 25.06.2020.

Impulsreferent Ubbo de Witt, Geschäftsführer der Projekt Firmengruppe aus Oldenburg und Mitglied im OLEC Vorstand betont, dass Wind bereits der Motor der Energiewende sei, es aber dringend notwendig wäre, dass die Gesetzgebung hier nachziehe und dieses auch erkenne. Denn „wer Energiewende will, muss auch die passenden Rahmenbedingungen schaffen“. Größtes Problem, und dabei waren sich alle Teilnehmenden einig, seien die Genehmigungsverfahren, die teilweise bis zu 8 Jahren dauerten. Besonders betreffe dies die Windparks, die in naher Zukunft aus der Förderung fallen und die für ein Re-Powering den gesamten Genehmigungsprozess nochmals durchlaufen müssten. Habe sich dann im Laufe der vergangenen 20 Jahre beispielsweise ein Rotmilan in der Gegend angesiedelt, sei der Standort nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen nutzbar. Das Zusammenspiel zwischen Artenschutz und Energiewende sei hier eine besonders große Aufgabe für den Gesetzgeber, hierzu gehöre, dass gerichtliche Urteile inhaltlichen Eingang in die Erlasse fänden und die unteren Naturschutzbehörden und die Gesetzgebung auf die reelle Situation abgestimmt werden müssten.

Marie Kollenrott, stellv. Geschäftsführerin des Landesverbandes Erneuerbare Energien Niedersachsen-Bremen betont die Dringlichkeit der Veränderung von Genehmigungsverfahren. Naturschutz müsse natürlich Beachtung finden und der Einklang von Natur und Technik müsse gewährleistet werden. Aber es müsse auch verlässliche Richtlinien zum Artenschutz geben und der Populationsschutz solle im Vordergrund stehen, nicht der Individualschutz, der vor allem von sehr aktiven Umweltverbänden vor Ort immer wieder als Klagegrund diene, um den Bau von Anlagen zu verhindern. Gerrit Schmidt von der NordLB pflichtet ihr bei und betont, dass die schwierige Situation im Bereich der Genehmigungsverfahren auch für Investor*innen ein massives Hemmnis sei. Er sieht aber auch große Chancen in neuen Geschäftsmodellen, die sich besonders im Zuge der Nachnutzung von Altanlagen ergäben.

Johann Saathoff, Mitglieds des Deutschen Bundestags sieht ein großes Problem in der dünnen Personaldecke in den Behörden vor Ort. Über alle Landkreise müsse eine vergleichbare Personalsituation gewährleistet werden, damit auch eine Vergleichbarkeit zwischen den Landkreisen vorhanden sei. Gleichzeitig müssten Projektierer*innen verlässlich Aussagen erhalten und Klagen müssten bestenfalls zentral geregelt werden, um hier Rechtssicherheit festzustellen.

Dr. Jens Winkler vom regionalen Windkraftanlagenhersteller ENERCON sieht einer zukünftigen Lücke entgegen: „Die vielgepriesene Wasserstoffstrategie ist wichtig und gut, kann aber nur und ausschließlich mit grünem Wasserstoff funktionieren. Um diesen herzustellen, benötigen wir ein hohes Maß an zusätzlichen Kapazitäten und es dürfen keine Kapazitäten verloren gehen.“

Dr. Stephan Barth, Geschäftsführer des Windforschungsinstituts ForWind wünscht sich eine stärkere generationenübergreifende Debatte in Bezug auf die Entwicklung der Infrastruktur und hofft, dass Initiativen wie Fridays for Future hier Gehör finden. „Es muss doch im Fokus stehen, wie wir in Zukunft wirtschaften und leben wollen und welche Technologischen Pfade wir beschreiten wollen. Neue und zukunftsweisende Technologie kann für die nächste Generation auch Wirtschaftskraft bieten.“

Einig waren sich alle, dass wir eine stärkere Akzeptanz- und Partizipationsdiskussion benötigen. Regionale Wertschöpfung muss auch regional zum Tragen kommen, denn vor Ort gibt es häufig ein zu großes Ungleichgewicht zwischen denen, die finanziell vom Windpark profitieren und der großen Vielzahl der nicht beteiligten Anwohner*innen. Kommunen und Bürger*innen müssen in die Mehrwerte einbezogen werden. Wirtschaft muss der Energie folgen, nicht umgekehrt.